Kein verbesserter Herdenschutz: Das missratene Jagdgesetz lässt Bergbauern auf Finanzierungslücken sitzen

Pressemitteilung vom 14. August 2020

 

Der Herdenschutz ist das wichtigste Instrument, damit Schaf- und Ziegenhaltung auch mit Wolfspräsenz möglich bleibt. Doch trotz Unterstützung durch den Bund bestehen für TierhalterInnen nach wie vor erhebliche Finanzierungslücken, insbesondere im Sömmerungsgebiet. Auf bis zur Hälfte der Mehrkosten bleiben sie sitzen, was wesentlich auf den personellen Mehraufwand zurückzuführen ist. Allerdings wurde es mit der zur Abstimmung am 27.9. vorliegenden Revision des Jagdgesetzes verpasst, den Herdenschutz und dessen Finanzierung so zu stärken, dass künftig eine umfassende Abgeltung der Mehraufwände erfolgen könnte. Damit nützt die Revision den Nutztierhaltern ausgerechnet im wichtigsten Bereich nichts.


Der Herdenschutz in der Schweiz basiert im Wesentlichen auf zwei Mitteln: Auf elektrifizierten Zäunen und auf Herdenschutzhunden. Nicht weniger wichtig ist jedoch das Personal, welches Zäune errichten und Herdenschutzhunde beaufsichtigen muss. Während die Zäune und die Herdenschutzhunde über das Herdenschutzprogramm des Bundesamtes für Umwelt (BAFU) finanziell unterstützt werden, dienen die Sömmerungsbeiträge des Bundesamtes für Landwirtschaft der Deckung der Personalkosten und der betrieblichen Massnahmen auf der Alp. Zahlreiche Mehraufwände sind jedoch durch die Beiträge des Bundes nicht gedeckt: Weder wird der grosse Arbeitsaufwand für den Herdenschutz ausreichend abgegolten, noch sind die Materialkosten gedeckt. Somit stehen Alpwirtschaftsbetriebe vor grossen finanziellen Schwierigkeiten – die durch das missratene Jagdgesetz nicht kleiner werden. Mit der Revision wurde eine wichtige Chance zur Förderung der Berglandwirtschaft verpasst.


Eine massvolle Regulation der Wolfsbestände im verfassungsmässigen Rahmen kann eines der Instrumente sein, um mit dem Wolf zusammen zu leben. Unabhängig davon, ob Wölfe reguliert werden oder nicht, reissen sie aber ungeschützte Schafe und Ziegen. Dieses völlig natürliche Verhalten wird ihnen schwerlich auszutreiben sein. Deshalb bleibt der Herdenschutz das mit Abstand wichtigste aller Instrumente für das Zusammenleben mit dem Wolf. Ausgerechnet die dringend notwendige Stärkung dieses Instrumentes wurde mit der Revision des Jagdgesetzes verpasst. Anstatt jagdrechtlich zu verankern, dass eine umfassende und an den tatsächlichen Kosten orientierte finanzielle Förderung des Herdenschutzes erfolgen soll, setzt die Revision einseitig auf Abschüsse geschützter Tierarten und suggeriert dabei den Tierhaltern, dass Probleme mit dem Wolf mit der Kugel gelöst werden könnten. Die Revision erschwert deshalb das Zusammenleben mit dem Wolf, anstatt es zu vereinfachen.


Das steht im Gegensatz zur Behauptung des BAFU, dass der Herdenschutz gestärkt würde1. Das Gegenteil ist der Fall. Mit dem neuen Jagdgesetz würden paradoxerweise Abschüsse ohne Herdenschutz möglich (heute: Herdenschutz ist nötig2), doch gleichzeitig würden die Bergbauern nur dann eine Entschädigung für Schafe und Ziegen erhalten, wenn sie die Tiere mit Hunden und Zäunen geschützt haben. Wenn man schon das Gesetz revidiert, hätte man nicht den Abschuss fördern, sondern die Arbeit der Bauernfamilien unterstützen müssen.


Auskünfte:
David Gerke, Präsident Gruppe Wolf Schweiz
Tel. 079 305 46 57, david.gerke@gruppe-wolf.ch


Quelle:
Moser, S., Werder, C., Willems H., 2019. Wirtschaftlichkeit der Schafsömmerung bei Anpassung an die Grossraubtiersituation auf Schafalpen in den Kantonen Uri und Wallis, Gesamtbericht Endversion. Büro Alpe, Lätti


Weiterführende Unterlagen:

  • “Zahlen und Fakten zur Einordnung von Wolfrissen in der Schweiz“, abrufbar unter: https://jagdgesetz-nein.ch/wp-content/uploads/2020/06/zahlen-und-fakten_einordnung-wolfrisse-in-der-schweiz.pdf
  • “Facts & Figures zu Wolf, Herdenschutz und neuem Jagdgesetz, August 2020“, abrufbar unter: https://jagdgesetz-nein.ch/wp-content/uploads/2020/08/20200729_schafe_herdenschutz-und-wolfsrisse.pdf

 

1 https://www.bafu.admin.ch/bafu/de/home/dokumentation/medienmitteilungen/anzeige-nsb-unter-medienmitteilungen.msg-id-78261.html

2 „Der Abschuss von Grossraubtieren aufgrund von übermässigen Nutztierschäden ist daran gebunden, dass vorgängig und erfolglos die zumutbaren Massnahmen zum Herdenschutz ergriffen worden sind (Art. 4 Abs. 1 JSV).“ Heute geltendes Wolfskonzept S. 27.


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