Bund bestätigt: Weder Angriff auf Mensch noch auf Hunde durch Beverin-Rudel

News vom 10. September 2021

 

Die Vorkommnisse mit dem Wolfsrudel am Piz Beverin im Kanton Graubünden haben eine mediale und behördliche Reaktion ausgelöst, die ihresgleichen sucht. Eine nüchterne Einordnung der Vorfälle blieb dabei oft aus und selbst staatliche und somit vermeintlich neutrale Medien berichteten klar tatsachenwidrig vereinzelt von einem "Wolfsangriff auf Menschen". Die Analyse der Vorkommnisse anhand der überprüfbaren behördlichen Unterlagen zeigt aber ein gänzlich anderes Bild. Dabei dienen insbesondere die eidgenössische Jagdverordnung, das Konzept Wolf Schweiz, die Verfügung des Kantons Graubünden zur Regulierung des Beverin-Rudels und der Bescheid des Bundesamtes für Umwelt zu dieser Verfügung als Grundlage für eine fundierte Einschätzung. 

 

Grundlagen für das Wolfsmanagement: 

 

Die eidgenössische Jagdverordnung legt fest, wann in die Bestände des eigentlich geschütztes Wolfs eingegriffen werden darf. Diese Eingriffsschwellen wurden per Mitte Juli 2021 deutlich gesenkt. Während im Vorjahr bei einem nur leicht tieferen Wolfsbestand und etwa gleich hohen Schäden keine Regulierungen und Abschüsse verfügt werden konnten, sind dieses Jahr bereits drei Rudelregulierungen und zwei Einzeltierabschüsse verfügt. Weitere befinden sich in Vorbereitung. Damit sind, Stand heute, 2021 zehn Wolfstötungen bewilligt worden, davon wurden bisher vier umgesetzt. 

 

Wie das Verhalten von Wölfen gegenüber Menschen einzuordnen ist, wird im Konzept Wolf Schweiz in Anhang 5 in einer Einschätztabelle definiert. Dabei gibt es vier Kategorien, von unbedenkliches Verhalten über auffälliges Verhalten und unerwünschtes Verhalten bis hin zu problematisches Verhalten (mit potential zur Gefährdung von Menschen). Letzteres ist Grund für Eingriffe in den Wolfsbestand. Parallel dazu bildet auch ein gewisses Mass an Schäden an geschützten Nutztieren Grund für einen Eingriff in den Bestand. 

 

Wie die Stimmung gegen den Wolf geschürt und das Recht zurecht gebogen werden:

 

  • Der Kanton Graubünden führt in seiner Verfügung zur Regulierung des Beverin-Rudels unprovoziert aggressives Verhalten von Wölfen gegenüber Menschen an, und zwar weil ein Wolf eine Hirtin angeknurrt habe. Das Bundesamt für Umwelt weist diese Darstellung in seiner Antwort an den Kanton Graubünden klar zurück und weist darauf hin, dass lediglich der Hütehund  der Hirtin angeknurrt wurde. Es handelt sich somit explizit nicht um aggressives Verhalten gegenüber Menschen und erst recht nicht um einen Angriff, zumal sich der Wolf von Hirtin mit Rufen vertreiben liess. 
  • Eine Woche nach obigem Vorfall begegnete die selbe Hirtin mit ihrem Hütehund im selben Gebiet wieder Wölfen. Dabei haben gemäss medialer Kommunikation drei Wölfe den Hütehund angegriffen. Bereits das Studium der kantonalen Unterlagen weckt Zweifel an dieser Darstellung, da es sich demnach lediglich um einen Angriffsversuch handelte. Deutlicher wurde das Bundesamt für Umwelt, welches in seinem Schreiben festhält, dass lediglich einer der drei Wölfe versucht habe, den Hund zu beschnuppern. Zwischen dem, was medial kommuniziert wurde, und dem, was in den behördlichen Unterlagen festgehalten wird, bestehen somit grosse Unterschiede. 
  • Zusätzlich zu dieser tendenziösen Kommunikation, wird zudem versucht, Wolfsabschüsse in bundesrechtswidriger Art und Weise umzusetzen. Der Kanton hat den Abschuss von Leitwolf M92 zusätzlich zum Abschusskontingent der Jungwölfe beantragt (drei von sieben Jungwölfen plus das Elterntier M92). Dabei ergibt sich aus den Erläuterungen zu Art. 4 Abs. 1 der Jagdverordnung, dass Elterntiere der Abschussquote zwingend anzurechnen sind ("Der Abschuss eines Elterntiers wird der Abschussquote angerechnet."). Da sieben Welpen nachgewiesen sind, beträgt die maximale Abschussquote, die 50% der Anzahl der im laufenden Jahr geborenen Jungtiere nicht überschreiten darf, somit lediglich drei Wölfe inkl. allfälligem Elterntierabschuss. Allerdings wurde der Abschuss des Leitwolfes M92 vom Bundesamt für Umwelt ohnehin zurückgewiesen, weil die Bedingungen dafür nicht erfüllt sind. 
  • Dazu ersuchte der Kanton, die Abschüsse auch innerhalb des eidgenössischen Jagdbanngebietes vorzunehmen. Dies obwohl das gemäss Konzept Wolf Schweiz klar unzulässig ist. Entsprechend wurde auch das vom Bundesamt für Umwelt abgelehnt. 

 

Einschätzung der Gruppe Wolf Schweiz: 

 

Es erfolgte eindeutig kein Angriff auf Menschen und es hat zu keinem Zeitpunkt eine unmittelbare Gefahr für Menschen bestanden. Wölfe haben sich Menschen gegenüber nie drohend oder gar aggressiv verhalten. Die drei Nahbegegnungen des Rudels mit Menschen im August 2021 stellen gemäss Einschätztabelle für Wolfsverhalten im Konzept Wolf Schweiz dennoch ein problematisches Verhalten dar. Dies weil das schweizerische Wolfsmanagement darauf basiert, dass Wölfe reguliert werden können, bevor sie zu einer Gefahr für Menschen werden - eine Regulierung von Wölfen ist möglich, wenn Wolfsverhalten bereits potentiell zu einer Gefahr führen könnte und nicht erst, wenn es schon gefährlich ist. Die Gruppe Wolf Schweiz erachtet dies als  absolut richtig, denn niemand hat Interesse an Wolfsangriffen auf Menschen. Die Einschätztabelle für Wolfsverhalten im Konzept Wolf Schweiz wird als praktikables und fachlich begründetes Instrument zur Entscheidung über Eingriffe in den Wolfsbestand betrachtet. Deren Vollzug wird daher begrüsst. Entsprechend befürwortet die Gruppe Wolf Schweiz die Regulierung des Beverin-Rudels mittels eines Eingriffs in die Jungtierklasse, mit dem die Scheuheit der Wölfe gefördert werden soll. Um eine pragmatische Wolfsregulierung zu begründen, braucht es aber weder eine tendenziöse mediale Kommunikation, noch das Schüren von Ängsten - erst recht nicht durch Behörden. Nur mit einer nüchternen, sachlichen und faktenbasierten Darstellung der Sachlage, die zudem nicht von politischen Interessen geprägt ist, kann vernünftig mit dem Wolf umgegangen werden. 


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