Herdenschutz

In weiten Teilen des eurasischen Kontinents, nämlich überall dort, wo sich die Weidetierhaltung und das Verbreitungsgebiet der Grossraubtiere (insbesondere des Wolfes), überschneiden, gibt es den Herdenschutz. Dieser wird vielerorts bereits seit Jahrtausenden betrieben und stellt daher keine Neuerung, sondern eine uralte, bewährte Tradition dar. Über diese Jahrtausende hinweg konnten Grossraubtiere weder ausgerottet werden, noch gab es ein staatliches Entschädigungssystem für Risse an Nutztieren. Alleine deshalb war der Herdenschutz unabdingbar und seine Notwendigkeit wurde nie in Frage gestellt. Den Herdenschutz grundsätzlich in Frage zu stellen, ist deshalb eine absolute Wohlstandserscheinung. 

 

Die Mittel zum Herdenschutz können verschieden sein, heute werden darunter insbesondere geeignete Herdenschutzhunde und elektrifizierte Zäune verstanden. Auch die menschliche Präsenz kann Herdenschutz bedeuten. Was in der Schweiz als Herdenschutz anerkannt wird, ist jagdrechtlich definiert: Die eidgenössische Jagdgesetzgebung legt fest, dass es zumutbare Schutzmassnahmen gibt, welchen Stellenwert sie haben und wie sie gefördert werden (Art. 12 JSG, Art. 4, 9 und 10 JSV), die fachliche Umsetzung geschieht in der "Vollzugshilfe Herdenschutz". In der Schweiz werden demnach zwei Massnahmen als Herdenschutz anerkannt: 

 

  • Der Einsatz von anerkannten Herdenschutzhunden
  • Der Einsatz von anerkannten elektrifizierten Zäunen

 

Die menschliche Präsenz, also typischerweise die Behirtung der Nutztiere, gilt heute in der Schweiz nicht als Herdenschutz, sondern als Form der Bewirtschaftung. Denn nur während der tatsächlichen Präsenz kann von einer Schutzwirkung ausgegangen werden. Eine dauerhafte Präsenz von Menschen an den Herden rund um die Uhr kann jedoch aus verschiedenen Gründen kaum sichergestellt, u.a. wegen rechtlichen Vorgaben (Ruhe-, Erholungs- und Schlafzeiten für Personal sind zu gewähren) oder wegen den zu hohen Kosten - würden die Ruhzezeiten gewährt, bräuchte es für eine Behirtung rund um die Uhr einen Zwei- oder Dreischichtbetrieb. Alleine die menschliche Präsenz kann daher unter heutigen Umständen keine dauerhafte Schutzwirkung gewähren. Daher wird die Behirtung von Nutztieren nicht als Herdenschutzmassnahme gefördert - jedoch erfolgt eine Förderung dieses Systems für die Sömmerung von Schafen und Ziegen als betriebliche Massnahmen über das Landwirtschaftsbudget. 

 

Als Hirtenunterkünftige im Sommer gibt es preisgünstige, zweckmässige Modelle in einfacher Bauweise. Solche Hütten können zonenkonform erstellt werden, wenn sie für die Bewirtschaftung notwendig sind. 

 

 

Herdenschutz im Mittelland: notwendig - und machbar!

Die Zahl der Wolfsnachweise im Mittelland steigt - und damit auch die Gefahr von Angriffen auf ungeschützte Nutztiere. Deshalb müssen jetzt Herdenschutzmassnahmen geprüft und ergriffen werden. Die Publikationen der GWS zeigen, welche Massnahmen im Mittelland heute, aber auch in Zukunft, empfohlen werden. Das Mittelland weist hervorragende Voraussetzungen für einen erfolgreichen Herdenschutz auf. Nutzen wir diese Chance!
 

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Inoffizielle Herdenschutzhunde: Vom Einsatz muss abgeraten werden

Im Rahmen des Herdenschutzprogramms des Bundes werden Zucht, Ausbildung, Prüfung und Einsatz von Herdenschutzhunden (HSH) gefördert. Das Programm umfasst aktuell zwei Rassen, nämlich den Maremmano Abruzzese und Chien de Montagne de Pyrénes. Hunde dieser beiden Rassen, die dem Programm unterstehen, sind als Herdenschutz anerkannt und werden somit auch finanziell gefördert. Zusätzlich können Kantone auch weitere HSH, die nicht aus dem Programm des Bundes stammen, anerkennen. Diese HSH können dann ebenfalls geprüft und finanziell unterstützt werden. Bereits seit einigen Jahren kann beobachtet werden, dass vermehrt nicht anerkannte HSH anderer Rassen importiert und eingesetzt werden. Sie sind damit quasi inoffiziell, aber damit nicht zwingend illegal. Dennoch ergeben sich mehrfache rechtliche Probleme bei deren Einsatz, weshalb die Gruppe Wolf Schweiz von diesem abrät.

 

Weltweit gibt es mehrere Dutzend Herdenschutzhunderassen. Viele von ihnen, wenn nicht sogar alle, könnten durchaus auch im Schweizer Herdenschutz eingesetzt werden. Aus züchterischen Gründen beschränkt sich der Bund aber aktuell auf zwei Rassen. Einfuhr und Haltung anderer HSH-Rassen sind erlaubt, allenfalls jedoch mit kantonalen Einschränkungen versehen (Rasseverbote, Ausbildungsobligatorien, etc.). Der rechtskonforme Einsatz von HSH gemäss eidgenössischer Jagdverordnung (JSV, Art. 10) ist jedoch nur bei HSH aus dem Bundesprogramm oder bei HSH, die durch die Kantone anerkannt sind, gewährleistet. Die Tierschutzverordnung (TSchV, Art. 69) definiert solche HSH zudem als anerkannte Nutzhunde.

 

Beim Einsatz von HSH im Herdenschutz, die weder vom Bund, noch von einem Kanton anerkannt sind, ergeben sich u.a. folgende rechtliche Probleme:

 

  • HSH arbeiten weitgehend selbständig. Dieses Verhalten ist bei anerkannten HSH gemäss JSV zulässig. Für nicht anerkannte HSH gilt dies hingegen nicht, sie sind gemäss TSchV wohl als Begleithunde einzustufen. Damit gilt eine implizite, in einigen Kantonen sogar explizite Beaufsichtigungspflicht, was bei HSH im Einsatz aber kaum gewährleistet werden kann.

  • HSH im Einsatz wehren andere Tiere ab, vornehmlich Wildtiere. Für normale Hunde ist das aber nicht zulässig. Die Abwehr und Verfolgung von Wildtieren – was HSH im Einsatz ihrer Natur entsprechend machen – durch Hunde stellt einen jagdrechtlichen Verstoss dar (JSG Art. 18), sofern es sich nicht um Nutzhunde im Einsatz handelt. Je nach kantonaler Regelung, können Hunde deshalb sogar abgeschossen werden. Anerkannte HSH dürfen hingegen im Kontext der Herde Wildtiere abwehren und vertreiben.

  • Hunde, die im Freien gehalten werden, müssen gemäss TSchV zwingend eine Unterkunft (Hundehütte o.ä.) mit Liegefläche und Witterungsschutz haben. Dies trifft auch auf nicht anerkannte HSH zu. Im praktischen Herdenschutz v.a. im Alpgebiet kann das kaum gewährleistet werden. Für anerkannte HSH gemäss JSV gilt die Pflicht für eine Unterkunft mit Liegefläche und Witterungsschutz hingegen nicht. 

  • Hundehalter obliegen der Haftung gemäss Art. 56 des Obligationenrechts (OR). So haftet ein Hundehalter für die Schäden seines Hundes, wenn er diesen nicht beaufsichtigt. Da anerkannte HSH gemäss JSV jedoch nicht dauernd beaufsichtigt werden müssen, haften die Halter nicht für Schäden, die im Einsatz entstehen, solange sie ihren Sorgfaltspflichten nachgekommen sind. Das Haftungsrisiko ist somit bei nicht anerkannten HSH wesentlich grösser. Das heisst konkret, wenn ein anerkannter und ein nicht anerkannter HSH in der gleichen Situation im Einsatz beide einen Schaden anrichten, haftet der Besitzer nur im Falle des nicht anerkannten HSH.

  • Die Präsenz von nicht anerkannten HSH stellt logischerweise keinen anerkannten Herdenschutz dar. Bei Wolfsrissen trotz deren Präsenz gelten die betroffenen Herden als ungeschützt gelten, sofern nicht zusätzlich anerkannte Massnahmen vorhanden waren. Diese Risse können damit zumeist nicht für Abschuss- oder Regulierungsbewilligungen angerechnet werden.

 

Die Gruppe Wolf Schweiz ist grundsätzlich der Ansicht, dass sich zahlreiche ausländische Herdenschutzhunderassen, welche heute vom Bund nicht anerkannt sind, gut für den Herdenschutz in der Schweiz eignen würden. Sie befürwortet daher die Anerkennung weiterer Rassen, um die Verfügbarkeit von einsatzbereiten anerkannten Herdenschutzhunden aus Arbeitslinien zu gewährleisten.

 

Aufgrund der geschilderten rechtlichen Problematik des Einsatzes von bisher nicht anerkannten Herdenschutzhunderassen, muss die Gruppe Wolf Schweiz aber von deren Verwendung abraten. Ein rechtskonformer Einsatz kann nicht gewährleistet werden. Die Gruppe Wolf Schweiz kann ferner den Einsatz dieser Hunde deshalb auch nicht finanziell unterstützen.

 

Wolf

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