Wölfe und Hunde

Der Wolf: Stammvater des Hundes

Der Wolf ist der Stammvater aller Hunde. Genetische und archäologische Untersuchungen zeigen, dass die Domestikation vor über 10'000 Jahren begann. Einige Resultate deuten sogar darauf hin, dass die ersten Hunde bis zu 100'000 Jahren alt sein könnten. Immer wieder vermischten sich aber die Urhunde mit Wölfen. Andere wilde Caniden wie Schakale, Füchse oder Kojoten wurden hingegen nie domestiziert und sind damit keine Vorfahren der Hunde. Über den Ort der Domestikation des Wolfes liegen verschiedene Hypothesen vor: Während einige Genetiker meinen, dass der Wolf in Ostasien domestiziert worden sei, sprechend andere Wissenschaftler vom Nahen Osten oder sogar von Europa. Auch die Art der Domestikation ist umstritten: Während früher die aktive Domestikation durch den Menschen im Vordergrund stand, gehen inzwischen namhafte Forscher von einer Selbstdomestikation aus. Demnach hätten Wölfe freiwillig bei den frühen Menschen zu leben begonnen, weil sie dort beispielsweise Nahrungsreste gefunden haben. Auch Jagdgemeinschaften zwischen Wölfen und Menschen haben möglicherweise zur Domestikation des Wolfes geführt.

 

Hybriden und Mischlinge: Ein Problem für Mensch und Wolf

Wölfe und Hunde stellen noch heute ein und die selbe Tierart dar. Sie können sich untereinander fortpflanzen und ihre Jungtiere sind uneingeschränkt fruchtbar. Darüber, welches die ökologischen und sozialen Folgen davon sind, wird in der Wissenschaft seit Jahrzehnten debattiert. Es gibt unterschiedliche Thesen und Positionen. Potentiell problematisch sind Hybridisierungen aus folgenden Gründen:

 

  • Hybriden zwischen Wölfen und Hunden sind in Wolfspopulationen nicht erwünscht, weil sie untypische Merkmale in die Population bringen, welche für den Wolf möglicherweise schädlich sind. Während der Domestikation entstanden viele Merkmale, welche für den Wolf nachteilig wirken, etwa in der Anatomie und im Verhalten. Zudem ist die genetische Gesundheit vieler Hunde mangelhaft, bedingt durch Inzucht. Moderne Artenschutzkonzepte haben zudem nicht nur mehr den reinen Arterhalt zum Ziel, sondern auch den Erhalt der genetischen Eigenschaften. Eine Veränderung der Population durch die Einkreuzung von fremden Genen ist deshalb unerwünscht. Andererseits sind Hybridsierungen zwischen unterschiedlichen Arten oder Unterarten in der Natur weit verbreitet und haben auch positive Eigenschaften, z.B. die Verbreiterung der genetischen Basis. Weil Wolf und Hund zur selben Art gehören (Canis lupus), findet bei einer Vermischung zwischen ihnen keine Artverunreinigung im engeren Sinne statt. Eine Konkurrenzsituation zwischen Hybriden und Wölfen ist nachgewiesen, da sie ökologisch gleich funktionieren und die selbe Nische besetzen (Quelle). 
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  • Oft wird die Befürchtung einer erhöhten Gefahr durch Hybriden geäussert. Hybriden sollen demnach tendenziell geringere Fluchtdistanzen haben und den Menschen weniger meiden. Dies erhöhe das Konfliktpotential, weil Habituierung und Futterkonditionierung (eine Voraussetzung für Angriffe von Wölfen) verstärkt drohen würden. Dadurch könnte der Ruf des Wolfes leiden. Tatsache ist allerdings, dass es keine wissenschaftlichen Belege dafür gibt, dass von Hybriden eine höhere Gefahr ausgeht. Da sich weibliche Wölfe häufiger mit männlichen Hunden einlassen als männliche Wölfe mit weiblichen Hunden, sind Hybriden fast immer wie Wölfe geprägt - weil Hybridwelpen damit bei einer wildlebenden, nicht bei einer domestizierten Mutter aufwachsen und entsprechend wild geprägt sind. Scheuheit scheint insgesamt eher erlernt als genetisch fixiert zu sein. Dieser Umstand führt dazu, dass Hybriden oftmals ebenso scheu sind wie Wölfe (bedingt durch die Prägung der Wolfsmutter) und es deshalb in der Realität keinen Nachweis dafür gibt, dass Hybriden eine Gefahr für Menschen darstellen. 
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In freier Wildbahn entstehen Hybriden zwischen Wölfen und Hunden verhältnismässig selten. Einzelne Individuen sind aber in verschiedenen Wolfsbeständen nachgewiesen, etwa in den Populationen des Iberischen Wolfes und auf dem Balkan. Auch in Italien sind Hybriden nachgewiesen. Dort kümmert sich das Forschungsprojekt Ibriwolf um diese Problematik. Regelmässig werden neue genetische Untersuchungen durchgeführt und publiziert, welche auch die Frage nach Hybridisierungen mit hoher Präzision nachgehen:
 

  • Eine vertiefte genetische Analyse der bisher in der Schweiz nachgewiesenen Wölfe hat gezeigt, dass die genetische Integrität der Wolfspopulation intakt ist. Untersucht wurden alle zwischen 1998 und 2017 in der Schweiz nachgewiesenen Wölfe. Nur 2% der Wölfe wiesen eine Introgression ("Einwanderung") von Hunde-Genen in den letzten drei bis vier Generationen auf. » zur Studie

 

  • Eine spezielle Untersuchung mit einer maximalen Anzahl an Mikrosatelliten-Markern durch ein renommiertes Genetik-Labor hat gezeigt, dass von 120 Wölfen im französischen Teil der Alpenpopulation nur zwei Tiere Zeichen einer neueren Hybridisierung (erste Generation) und acht Tiere einer früheren Hybridisierung aufweisen. Der Hybridisierungsgrad der Alpenwölfe ist damit sehr tief. » zur Studie

 

  • Eine unabhängige Prüfung durch drei US-amerikanische Genetiker aller bisherigen Untersuchungen zu den Wölfen in Skandinavien hat ergeben, dass erstens die bestehenden genetischen Untersuchungen ausreichen, um allfällige Hybridisierungen nachzuweisen und zweitens keine Hybriden in der skandinavischen Wolfspopulation vorhanden sind.
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  • Ausführliche Informationen zur Methodik und zur Erkennung von Hybriden mittels genetischen Methoden sowie zur Thematik der Referenzproben liefert in Deutschland das Senckenberg-Institut, welches auf genetische Untersuchungen wildlebender Tiere spezialisiert ist. » zu den Ausführungen

 

  • Von Wolfsgegnern oft zitiert wird eine Studie aus Polen, wonach 66% der Wölfe Europas Hybriden seien. Diese Interpretation der Studie ist allerdings total falsch. Zwar weisen demnach tatsächlich Zweidrittel der Wölfe Europas Spuren von Hundegenen auf, doch sind diese zumeist sehr alt und machen lediglich 2.7% des Genoms aus, also einen sehr kleinen Teil. Diese Hundegene sind das Resultat einer oft Jahrhunderte bis Jahrtausende zurückliegenden Introgression in die Wolfspopulation. Die Autoren der Studie ziehen dazu einen spannenden Vergleich: Durchschnittlich 2% des Genoms der heutigen Menschen in Europa und Asien stammen vom Neandertaler (Homo neanderthalensis). Denn der moderne Mensch paarte sich bei seiner Ankunft in Europa und Asien vereinzelt mit dem bereits anwesenden Neandertaler und einige dieser Gene überdauern bis heute in der Bevölkerung. Wer gestützt auf diese Studie dem europäischen Wolf abspricht, überhaupt ein Wolf zu sein, der spricht damit den Völkern Europas und Asiens genau so ab, richtige Menschen zu sein. » zur Studie

 

Die Entstehung von Hybriden wird begünstigt durch tiefe Wolfsbestände in Verbindung mit gleichzeitiger starker Präsenz von verwilderten oder streunenden Hunden. Finden Wölfe keine wölfischen Artgenossen zur Paarung, kann es zur Liaison mit Hunden kommen. Als präventive Massnahmen zur Verhinderung der Entstehung von Hybriden gilt daher die Stärkung und Förderung der Wolfspopulation mit gleichzeitiger Ausmerzung von verwilderten und streunenden Hunden. Hybriden in der Wolfspopulation müssen zudem frühzeitig erkannt und entfernt werden. Dafür ist ein genetisches Monitoring unerlässlich. Nur mit genetischen Untersuchungen lassen sich Hybriden zweifelsfrei als solche erkennen. Eine optische Unterscheidung zwischen Hybriden und reinen Wölfen ist nicht immer möglich.

 

Der Wolf als Gefahr für Hunde

Wölfe und Hunde sind zwar Artgenossen und können sich wie dargelegt auch verpaaren. Gelegentlich töten aber Wölfe aber Hunde auch. Dabei sind mehrere Situationen zu unterscheiden: Einerseits können Hunde als Eindringlinge im Wolfsrevier betrachtet werden, die es gilt zu vertreiben oder auch zu töten. Wolfsrudel sind territorial und verteidigen ihr Revier gegen andere Wölfe. Andererseits werden Hunde manchmal auch als Beute betrachtet und deshalb gerissen und gefressen.

 

  • Einer besonderen Gefährdung von Territorialkämpfen ausgesetzt sind Jagdhunde. Besonders grossräumige Bewegungsjagden mit dem Einsatz von Stöberhunden bergen ein gewisses Risiko. Jagdhunde sind oftmals grossräumig und alleine in naturnahen Landschaften unterwegs, welche auch von Wölfen bewohnt werden. Diese können sie als Eindringlinge betrachten. Gefährdet sind Jagdhunde besonders in ausserordentlich grossen Bewegungsjagden, wie sie etwa in Skandinavien üblich sind. In Schweden werden jährlich zwischen 15 und 30 Jagdhunde durch Wölfe getötet. Dort sind die Schützen derart weit verteilt, dass Wölfe das Jagdgebiet kaum frühzeitig verlassen. Kleinräumige Bewegungsjagden mit einem dichten Netz an Schützen und Treibern, wie sie in der Schweiz üblich sind, bergen hingegen ein deutlich geringeres Risiko für Jagdhunde. Die sensiblen Wölfe verlassen das Jagdgebiet meist frühzeitig. Nicht ohne Grund sind Angriffe von Wölfen auf Hunde in den Nachbarländern Deutschland, Frankreich und Italien weitgehend unbekannt. Andere Jagdhunde im Einsatz, etwa für die Schweissarbeit, Apportieren oder für die Niederwildjagd, sind kaum gefährdet. Zur Vermeidung dieses Konfliktes hat die GWS einen eigenen Ratgeber in Form eines Flyers herausgegeben, der sich in erster Linie an die Hundeführer in der Jägerschaft richtet: » GWS-Flyer "Jagdhunde im Wolfsgebiet"
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  • Gerissen zu werden, ist besonders für kleine Hunderassen und angebundene Hunde ein gewisses Risiko. Die Erbeutung von Hunden durch Wölfe ist aber ausserordentlich selten und mehrheitlich dort festzustellen, wo natürliche Beute fehlt oder sehr selten ist. Wölfe ernähren sich natürlicherweise kaum kannibalisch, weshalb auch Hunde keine hauptsächliche Beute darstellen.
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Familien- und Begleithunde können leicht geschützt werden, in dem sie bei Spaziergängen im Wald an der Leine geführt werden. Hunde mit gutem Gehorsam können auch frei, aber immer in Sichtweite des Besitzers, geführt werden. Angeleinte Hunde auf abgelegenen Höfen sollten bereits aus Gründen des Tierschutzes ohnehin anders gehalten werden. Für jagdlich geführte Stöberhunde, bei welchen tatsächlich die Gefahr von Wolfsangriffen besteht, gibt es wolfssichere Schutzwesten. Kleine Glocken warnen Wölfe vor, so dass sie sich rechtzeitig zurückzienen können. Schweisshunde sind nach Möglichkeit immer am Riemen zu führen. Jagdhunden sollte in der Ausbildung zudem die Raubwildschärfe nicht anerzogen werden, so dass sie im Jagdbetrieb nicht Wöfen nachstellen.

Wolf

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