Erstmals präventive Wolfsabschüsse: Eine Bilanz

News vom 24. Februar 2024 

 

Die erste Saison der präventiven Wolfsabschüsse begann am 1. Dezember 2023 und endete am 31. Januar 2024. Nach Angaben des Bundes gab es zu Beginn der Abschusssaison 35 bis 36 Wolfsrudel. Darin enthalten sind mindestens zehn Rudel, die grenzüberschreitend nach Frankreich oder Italien leben und dort ihren Schwerpunkt haben. Hinzu kommt, dass der Bund seine Daten nur von den Kantonen erhält, die Qualität des Monitorings dort aber sehr unterschiedlich ist. Insbesondere der Kanton Wallis hat vier Rudel gemeldet, die sich kaum auf seinem Kantonsgebiet aufhalten oder wahrscheinlich gar nicht existieren, da sie mit den benachbarten Rudeln identisch sind. Die Zahl der tatsächlich dauerhaft in der Schweiz lebenden Rudel ist somit geringer als offiziell angegeben und dürfte bei etwa 30 liegen, wenn die grenzüberschreitenden Rudel zur Hälfte dem Schweizer Bestand zugerechnet werden.

 

Von den nach offiziellen Angaben bis zu 36 Wolfsrudeln hätten zwölf Rudel im Rahmen der präventiven Regulierung ausgerottet werden sollen. Sechs weitere sollten durch den Abschuss von Jungwölfen und einzelnen Leittieren präventiv reduziert werden. Somit war für die Hälfte der Rudel ein präventiver Abschuss vorgesehen. Bei weiteren fünf Rudeln war eine reaktive Regulierung vorgesehen, d.h. eine Regulierung aufgrund eingetretener größerer Schäden. Somit sollten in 23 von 36 Rudeln Abschüsse durchgeführt werden.

 

Entgegen der medialen Berichterstattung gab es keine festgelegte Quote für den präventiven Abschuss von Wölfen, die erreicht werden konnte oder nicht. Schlagzeilen wie „Im Wallis wurden 27 von 36 Wölfen abgeschossen“ sind daher inhaltlich falsch. Denn bei der Ausrottung ganzer Rudel gab es keine maximale Anzahl zu erlegender Wölfe, sondern es durften alle Wölfe im Gebiet erlegt werden - auch wenn es mehr waren, als der Kanton zuvor angenommen hatte. Die Kantone schätzten lediglich, wie viele Wölfe sie einem Rudel zuordneten. So schätzte der Kanton Wallis für das Augstbordrudel acht Wölfe, geschossen wurden aber elf, und für das Rudel Hérens-Mandelon acht Wölfe, geschossen wurden aber neun. Gesamtschweizerisch gibt es also nur eine Schätzung von ca. 90 Wölfen, die präventiv geschossen hätten werden können, aber keine festgelegte Quote.

 

Von den bis zu 36 Wolfsrudeln wurden vermutlich vier durch die Regulierung weitgehend ausgelöscht. Zu betonen ist jedoch, dass auch in diesen vier Gebieten nach den Abschüssen weiterhin Wölfe präsent sind. Ob es überlebende Wölfe der bisherigen Rudel oder bereits neu zugewanderte Tiere sind, ist aktuell jedoch noch unklar. In fünf weiteren Rudeln wurden erwachsene Leitwölfe geschossen, so dass der Fortbestand dieser Rudel zumindest fraglich ist. Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass der Verlust von Leitwölfen in bereits länger bestehenden Rudeln in der Regel kompensiert werden kann, nicht jedoch in neu gegründeten Rudeln. Somit ist zum jetzigen Zeitpunkt (Februar 2024) von 27 bis 32 Wolfsrudeln auszugehen, wenn man von einer Wertkorrektur aufgrund grenzüberschreitender oder doppelt gezählter Rudel absieht, bzw. von 21 bis 26 Rudeln nach Wertkorrektur (halbe Zählung grenzüberschreitender Rudel und Abzug nicht vorhandener Rudel). Im Jahr 2022 gab es gemäss KORA 28 Rudel in der Schweiz (wertkorrigiert 24, wegen 8 grenzüberschreitenden Rudeln). Damit ist der Wolfsbestand Anfang 2024 etwa gleich gross wie Anfang 2023.

 

Folgende Abschüsse wurden im biologischen Jahr, beginnend am 01.05.2023, bisher realisiert:

  • 38 präventive Abschüsse
  • 17 reaktive Abschüsse
  • 6 Einzeltierabschüsse
  • Total 61 bewilligte Wolfsabschüsse

 

Nach altem Recht, gültig bis 30.11.2023, hätten voraussichtlich 35 reaktive Abschüsse wegen grosser Schäden an Nutztieren oder erheblicher Gefährdung von Menschen bewilligt werden können. Zwar haben die Kantone vor Beginn der präventiven Regulierung „nur“ 27 und nicht 35 reaktive Regulierungsabschüsse bewilligt, doch ist dies darauf zurückzuführen, dass bei einigen Rudeln wegen der Aussicht auf präventive Abschüsse auf Gesuche für reaktive Abschüsse verzichtet wurde. Etwa die Hälfte der realisierten Präventivabschüsse hat also mögliche reaktive Abschüsse lediglich ersetzt, aber nicht ergänzt. Es wurden also „nur“ 20 Wölfe mehr geschossen, als nach dem bisherigen Recht ohnehin möglich gewesen wären. Der Einfluss auf die Populationsentwicklung dürfte jedoch höher sein, da häufiger auch erwachsene Wölfe geschossen wurden. Diese Rechnung kann zudem noch dadurch verzerrt werden, dass bis Ende März 2024 noch sechs weitere Jungwölfe aufgrund der geltenden reaktiven Regulierungsverfügungen abgeschossen werden dürfen. Somit könnten durch die neue Jagdverordnung bis zu 26 zusätzliche Abschüsse erfolgen.

 

Überblick über die erfolgten Regulierungen von Wolfsrudeln:

 

Wahrscheinlich ausgelöschte Rudel:

  • Augstbord (adulte Wölfe sind jedoch auch nach den Abschüssen weiterhin präsent)
  • Val d'Hérens-Mandelon (adulte Wölfe sind jedoch auch nach den Abschüssen weiterhin präsent)
  • Beverin (adulte Wölfe sind jedoch auch nach den Abschüssen weiterhin präsent)
  • Calfeisen

 

Vielleicht ausgelöschte Rudel (wahrscheinlicher oder sicherer Abschuss eines Elterntieres):

  • Chablais
  • Nanztal
  • Lenzerhorn
  • Arolla-Ferpècle (Fehlabschuss Leitrüde als Einzelwolf im Herbst 2023)
  • Kärpf (Abschuss Leitwolf im Rahmen reaktiver Regulierung erfolgt)

 

Regulierte Rudel über Jungtierabschüsse:

  • Stagias (3 Abschüsse erfolgt, unklar ob bewilligter Leitwolfabschuss umgesetzt wurde)
  • Vorab
  • Valgronda
  • Mont-Tendre (Abschuss Leitwolf misslungen, 3 Jungwölfe abgeschossen)
  • Carvina
  • Colla
  • Moesola
  • Rügiul (1 Abschuss erfolgt, weitere Abschüsse durch Beschwerde gestoppt)
  • Les Toules

 

Noch laufende Regulierungen (nur Jungtier-Abschüsse):

  • Risoux (2 Abschüsse bewilligt, beide noch nicht realisiert)
  • Schilt-Murg (1 Abschuss bewilligt, noch nicht realisiert)

 

Nicht regulierte Rudel:

  • Onsernone (Regulationsabschüsse misslungen)
  • Jatzhorn (Abschussstopp nach Beschwerde)
  • Glattwang
  • Muchetta
  • Calderas (Existenz fraglich, keine Rudelnachweise 2023)
  • Fuorn (Nationalpark)
  • Dent d'Oche (Schwerpunkt auf französischem Boden)
  • Haute-Chaîne du Jura (Schwerpunkt auf französischem Boden)
  • Hauts-Forts (Schwerpunkt auf französischem Boden, Abschussstopp durch Beschwerde)
  • Posettes (Schwerpunkt auf französischem Boden, Rudel wohl verschwunden)
  • Mont Brun
  • Fou-Isérables und Nendaz-Siviez (Rudel sind identisch, Abschussstop nach Beschwerde)
  • Simplon (grenzüberschreitend mit Italien)
  • Jougne-Suchet (Schwerpunkt auf französischem Boden)
  • Marchairuz (keine Reproduktion 2023)

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